Regina Hadraba - mappae mundi
von Michaela Seif
2011


Mappa mundi war der im Mittelalter gängige Begriff für die Landkarte, für das ausgebreitete weiße Tuch (mappa) des gesamten Kosmos (mundus). Eine beachtliche Zahl überlieferter großformatiger, aus Abbildungen (pictura) und erklärendem Text (scriptura) bestehender Karten belegen die Vorstellung der Menschen von einem sehr großen, jedoch begrenzten Kosmos mit der Erde im Zentrum eines Systems durchsichtiger konzentrischer Sphären, die man erst emporsteigen musste, um zum Licht, dem Symbol des Geistes zu gelangen, wie dies von Dante Alighieri in seiner 1321 vollendeten Divina commedia beschrieben wurde, als sich der Dichter mit seiner Beatrice aus der irdischen Welt hinauf ins himmlische Paradies begab. Im Sinne von Weltkarten wurde das jeweils Bekannte abgebildet, Neues dann als Textpassage hinzugefügt. Ab dem Spätmittelalter kannte man bereits vereinzelt Regionalkarten, vor allem zur Bezeichnung politischer Grenzen.

 

Regina Hadraba verwendet für einige in dieser Ausstellung gezeigten Arbeiten aktuelle Landkarten als Bild- und Bedeutungsträger. Mittels Übermalung des Papiers mit weißer Farbe stellt sie sich gegen die Tradition mittelalterlicher Zeichner und deren Angst vor weißen Flecken auf der Landkarte, verfremdet damit eine auf Basis exakter Vermessungen basierende Abbildung und thematisiert zugleich die Frage nach der Zweckmäßigkeit dieses Mediums in der Gegenwart. Dem realen Bild der Welt stellt sie ihr persönliches Weltbild entgegen, das von einer Lebensausrichtung geprägt ist, die sich in einem emotionalen, nicht kalkulierbaren, unbewussten Rahmen bewegt.

Die Zeichnung ist ihr Medium, diesem zum Ausdruck zu verhelfen. Format und Bildgrund, die mappa, definieren diesen Rahmen. Ihre Gedanken und Gefühle formuliert sie mittels Linien: manchmal groß und kräftig, weit ausschwingend, kreisend, bisweilen auch kurz, reduziert, pointiert. Im Dialog mit dem weißen Grund und darüber gelegten Farbflächen entfalten sie ihre Aussagekraft.

 

Die bevorzugte Technik dafür ist die Monotypie, sie bildet den Abschluss der Komposition. Dafür bedeckt die Künstlerin den vorbereiteten Bildgrund mit einem mit schwarzer Ölfarbe getränkten weißen Tuch. Indem sie in einem Zustand äußerster Konzentration einen Stift über das Gewebe gleiten lässt und sich die dadurch entstehenden schwarzen Linien auf dem darunter liegenden Bildgrund bündeln und kreuzen, bildet sich das heraus, was als Essenz ihrer künstlerischen Arbeit verstanden werden kann. Dieser Vorgang des indirekten Zeichnens, der die Möglichkeit der steten Kontrolle über die jeweils gezogene Linie ausschließt, führt zu überraschenden Lösungen, die im Unbewussten ihren Ursprung haben.

Für diese Ausstellung hat Regina Hadraba versucht, ihr künstlerisches Weltbild unter Verwendung der Landkarten mit dem Wissen um die Spannung zwischen exakter wissenschaftlicher Vermessung und intuitiver Gestik auszuloten. Die Verbindung von scriptura und pictura, das Einfügen von Textfragmenten in ihre Bilder führt eine weitere spannende Bedeutungsebene ein.