Über Regina Hadraba
von Mag. Sonja Traar, September
2005



Die aktuelle Ausstellung von Regina Hadraba präsentiert neue Arbeiten der Künstlerin, die im letzten Jahr entstanden sind. Sie zeigt einen Abschnitt ihres Schaffens, der rund um das literarische Phänomen Tenzone kreist. Tenzone sind Paare, Drillinge oder Vervielfachungen von Sonette, die sich streiten (intellektuell abgehoben von der Stimm- und Körpergewalt ihrer Verfasser). Streitthemen sind die Dichtkunst, in weiterer Folge die Liebe und der Sinn des Sonettschreibens generell. Im mittelalterlichen Gedankengut stand Tenzone ebenso für eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Rittern, aber auch für die berüchtigten Zwei Herzen, die in einer Brust (gegeneinander-) schlagen.
 
Wer sind die zwei Ritter, die in den Arbeiten Hadrabas miteinander ringen? Es sind zwei Heroinnen der Kunst: die Zeichnung und die Malerei. Klassisch, meint man, doch in den Arbeiten der Künstlerin hat sich das Auseinandersetzen, Argumentieren, Aufpludern, gegenseitige Vergraulenwollen beider Disziplinen zu einem schöpferischen, aus dem Kontext herausgelösten Arbeitsprozess entwickelt. Die Gegenwart von Literatur — Hand in Hand mit einem künstlerischen Fluss, der, von Texten gespeist, anschwillt und zuletzt mit Bildern übergeht — erlebt der Betrachter als geistige und mit positiver Energie geladene Atmosphäre, in der das Gelesene nüchtern-sachlich und zugleich fantasievoll schwingt. Dieser geistige Raum ist der Turnierplatz für den Disput von Malerei und Zeichnung. Beide Medien tauchen in den neuen Werken kraftvoll auf, ohne aufeinander liegende Ebenen zu bilden. Sie sind aneinander geknotet. Schon beim Auftragen der roten, orange und gelben Farbe mit Schwämmen und Rollen denkt die Künstlerin die späteren Möglichkeiten der Zeichnung mit. Der Kampf geht um die nackte Präsenz von Farbe und Linie, die für sich auch noch beanspruchen, ihrer jeweiligen Charaktere uneingeschränkt beizubehalten. Herunter rinnende Farbtropfen, Geronnenes, samtige Fransen der schwarzen Lienen tauchen auf und wollen keine Effekte erzielen, die ihnen als solches innewohnen.
 
Nachdem die Linien mittels Monotypie (schwarze Ölfarbe wird durch ein feines Stoffnetz auf die Leinwand aufgetragen) auf der Malerei sitzen, ist die letzte Stufe im künstlerischen Prozess erreicht: unwiederholbar und unveränderlich, einmalig und mit großer innerer Spannkraft erscheinen die fertigen Bilder der Künstlerin — wie ein Messerschnitt Lucio Fontanas durch die Leinwand, für den er sich mehrere Stunden in höchster Anspannung vor der Leinwand konzentriert hat. Der Moment in Hadrabas Bildschöpfung ist erreicht, in dem beide Ritter ihre Schilder aneinandergepresst halten und vor Erschöpfung umfallen. Dieser Schluss-Moment ist auch ein Moment des "Richtig Stellens" im Sinne der Künstlerin. Aus nüchterner Distanz betrachtet wird Schönes, Zerstörendes, Mit- und Gegeneinander von Formen auf das exakt ausgewogene Maß gebracht. Diese Ausgewogenheit spiegelt ein Sonett Dantes wider, geschrieben um 1300 n.Chr.:

 
    Das neue Leben  
 
    So lang' hat mich die Liebe festgehalten,
    Mich so gewöhnt an ihrer Herrschaft Macht,
    Daß wie sie allgewaltig einst erwacht,
    So süß nun ist im Herzen mir ihr Walten.
 
    Vor ihr entfliehen aus des Herzens Falten
    Die anderen Gedanken all, und sacht
    Schleicht süße Wonne sich hinein, die lacht
    Aus meinen Augen, nimmer zu erkalten.
 
    Die Liebe wirket über mein Verstehen,
    Die Seufzer, die sich meiner Brust entringen,
    Sie gehn zu ihr und singen,
 
    Mein Glück von der Verehrten zu erflehen.
    Ein Blick von ihr gibt mir des Glückes viel,
    Ist meiner Sehnsucht holdbescheiden Ziel.



 
Elemente der Zeichnung in Hadrabas Werk sind durchwegs abstrakt, ebenso wie die eruptive Malerei. Ganz entfernt sei man an Figuren erinnert, niemals an Landschaft. Der hohe intellektuelle und auratische Abstraktionsgehalt spricht von Konzentration. Ebenso spricht er von einer notwendigen Verkürzung der Zeichen, die auf diese Weise ihre ganze Sprengkraft ausleben. Die Technik der Monotypie schafft Distanz zum fast schon brennenden Malgrund. Röhrenartige Linien, die an geknickte oder gebündelte Schilfrohre erinnern, scheinen dagegen von einem kühlenden Wind gestreift. Regina Hadraba ist selbst auch eine, die nicht leicht zu biegen und einzuordnen ist. Mit spielerischem Herantasten, Herausforderungen und einer gewissen Verschmitztheit leitet sie den oder die Interessierte in ein Labyrinth, aus dem er oder sie erst nach einiger Beschäftigung mit der Künstlerin herausfindet. Am Ende erscheinen eine Vielzahl von Fäden, Klängen und Stimmen, die zu einem Zentrum zusammenlaufen und stilsichere, ästhetisch höchst anspruchsvolle und bemerkenswerte Werke ergeben.